Unsere Energieversorgung 2040 – Visionen und Realität

eine Nachlese zu unserer Veranstaltung vom 18.06.2021

Die herrschende Politik versorgt uns seit Jahren mit Sprechblasen über eine Energiewende, die angeblich das Ziel verfolgt, die Erderwärmung durch Minimierung des CO2-Ausstoßes zu stoppen.

Die daran gebundenen, weitgehend untauglichen Maßnahmen werden dem Bürger als alternativlos verkauft und in ziemlich brutaler Art und Weise zu dessen Nachteil umgesetzt. Die Folgen dieser verfehlten Politik sind nicht nur stetig steigende Preise für Energie, sondern auch ein Fortschreiten der Zerstörung unserer Umwelt.

Wir bekennen uns ausdrücklich zur Umstellung unserer Energieversorgung von der heute überwiegend fossilen hin zu einer vollständig auf erneuerbarer Energie basierten bis spätestens 2040.

Die Auswertung konkreter Daten der letzten sechs Jahre, bereitgestellt von Agora-Energiewende, bestätigt unsere schon mehrfach getroffenen Aussagen nunmehr auch in Zahlen:

1. Die Ausbaugeschwindigkeit der Erneuerbaren ist viel zu gering.

2. Die Energiewende erfordert immense Speicherkapazitäten.

Beides wird von der Politik erfolgreich ignoriert; „erfolgreich“ deshalb, weil diese gefährliche Ignoranz nicht in der öffentlichen Wahrnehmung ankommt.

Unsere Analyse der Agora-Daten beschäftigt sich zum einen damit, was wir in den letzten Jahren bereits hätten tun können, um die beiden o.g. Fragestellungen zu bearbeiten. Im Zuge der Betrachtung der versäumten Chancen der Vergangenheit gewinnen wir darüber hinaus ein paar wichtige Erkenntnisse für die Zukunft.

Sichere Energieversorgung

Die Sicherheit unserer Energieversorgung ist ein Grundpfeiler unserer gesellschaftlichen Existenz. Jede entwickelte Gesellschaft ist in hohem Maße abhängig von Hochtechnologie. Hochtechnologie durchdringt unser ganzes Leben und verlangt zwingend eine permanente Verfügbarkeit elektrischer Energie. Ist elektrischer Strom länger als drei Tage flächendeckend nicht verfügbar, bedeutet das definitiv das Ende unserer gesellschaftlichen Existenz so wie wir sie heute kennen.

Der politische, besser der neoliberal-ideologische Fokus liegt dennoch auch im Umfeld der Energieversorgung auf dem wirtschaftlichen Betrieb. Die Gefahr eines drohenden Netzzusammenbruchs nimmt man dabei in Kauf. Was unsere Entscheider offenbar nicht verstanden haben: wenn es zu einem langandauernden und großräumigen Stromausfall kommt, spielt der profitorientierte, wirtschaftliche Betrieb keine Rolle mehr. Dann gibt es schlichtweg nichts mehr zu wirtschaften.

Die Ausbau- und Speicherfrage

Eine erfolgreiche Energiewende ist untrennbar mit der Verfügbarkeit geeigneter Speicher für unterschiedliche Energieformen verbunden. In den Netzentwicklungsplänen der Bundesnetzagentur spielen solche Überlegungen so gut wie keine Rolle. Vielmehr fühlt man sich für Speicher „nicht zuständig“ oder zitiert offen die Argumente der Energiewendegegner, die Speicherung der benötigten Energiemengen wäre nicht möglich bzw. unbezahlbar.

Der Fokus der herrschenden Politik und deren angeschlossener Behörden liegt nach wie vor auf der möglichst langen Konservierung des von fossilen Energieträgern dominierten Status Quo. Es geht keineswegs um die Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren, auch wenn dies gebetsmühlenartig ständig öffentlichkeitswirksam verkündet wird. Diese müsste nach unseren Berechnungen mindestens sechs Mal schneller vonstatten gehen, um CO2-Neutralität bis 2040 zu erreichen.

Würde man hier tatsächlich mehr Tempo an den Tag legen, wäre man sehr bald mit der Erkenntnis konfrontiert, dass flankierend Speicherkapazitäten, insbesondere Langzeitspeicher, in der Größenordnung von Terawattstunden notwendig sind.

Für unser Standardszenario, das einen Ausbau der Windenergie um den Faktor vier und der Photovoltaik um den Faktor 15 bis 2040 (vollständige Dekarbonisierung) vorsieht, haben wir aus den Agora-Daten einen Bedarf zwischen 50 und 100 TWh errechnet. Zwischenwerte für den Weg dorthin werden wir nach der Sommerpause nachliefern.

Schon die Begutachtung der Startwerte liefert einige interessante Erkenntnisse. Wegen mangelnder Speicher weiß man nämlich schon gegenwärtig nicht, was man mit der „lästigen“ EE-Überschuss-Energie anfangen soll. EE-Erzeuger werden lieber abgeregelt als deren „Überproduktion“ zu speichern. Der Bürger zahlt schließlich brav für die von den Windmüllern und Solaranlagenbetreibern geleistete „Ausfallarbeit“; mittlerweile mehr als eine Mrd. Euro pro Jahr. Die tatsächliche Überproduktion der fossilen Energieerzeuger steht nicht zur Debatte.

Exportieren oder speichern?

Prinzipiell gilt:

Die stabile Versorgung mit elektrischer Energie basiert auf einem Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch.

Die Grafik aus unserem Orangebuch S. 52 (oder Folie 4) enthält den von Agora-Energiewende veröffentlichen Datensatz vom 22.04.2019, 15.00 Uhr.

Der Erzeugung rechts (+) steht die Entnahme (Netzlast und Export) (-) gegenüber. Die Netzlast ist der augenblickliche Bedarf, der Export der Überschuss.

Eine unserer Überlegungen war es, diesen Überschuss nicht zu exportieren, sondern zu speichern.

Wir haben den Exportüberschuss über das gesamte Jahr 2019 kumulierend in einer Grafik dargestellt (Folie 5) und dabei folgende Erkenntnis gewonnen: Er ist nicht sinnvoll speicherbar, weil

1. tägliche Überschüsse nahezu im gesamten Jahr exportiert werden. Nur in den Sommermonaten (mit erhöhter EE-Produktion) besteht ein Gleichgewicht zwischen Export und Import. Speicher die ständig geladen, aber nie entladen werden, erfüllen ihren Verwendungszweck nicht.

2. die Überschüsse vorwiegend aus degenerativer Produktion (fossil und nuklear) in den Wintermonaten stammen. Fossil erzeugten Strom verlustbehaftet zu speichern, halten wir prinzipiell für keine gute Idee.

Dennoch brauchen wir schon heute Speicher. Ihr Einsatz sollte aber vor allem dadurch motiviert sein, fossile Kraftwerksleistungen sukzessive vom Netz zu nehmen. Für den Tageszyklus klappt das schon recht gut, betrachtet man die vielen kleinen und mittleren PV-Installationen mit integriertem Batteriespeicher. Genau deshalb werden diese Installationen von der Politik massiv behindert.

Für den Jahreszyklus mussten wir auf ein „was-wäre-gewesen-wenn-Szenario“ zurückgreifen. Wir hatten 2019 keine Speicherkapazität von 8 TWh. Wäre sie vorhanden gewesen, hätten wir bei gleichzeitiger Vermeidung der (vornehmlich fossilen) Exporte 30% (in Worten dreißig!) fossiler Erzeugerkapazitäten einsparen können! Dies ergab eine exemplarische Modellrechnung, bei der die 2019er Leistungsdaten von Agora als Grundlage dienten; Grafik in Folie 7. Je nach gewähltem Parametersatz (angenommene Speichergröße und Jahr) schwankt das Ergebnis zwischen 20 und 40%.

Wir wissen im Jahr 2021, was im Jahr 2019 richtig gewesen wäre. Im laufenden Betrieb kennen wir das Optimum natürlich nicht. Deshalb ist ein von Fachleuten operativ begleitetes Speichermanagement notwendig. Dieses sichert sowohl den wirtschaftlichen Betrieb der Speicher als auch die Versorgungssicherheit. Als gesicherten Fakt können wir festhalten:

Wir brauchen schon jetzt sehr viel mehr Speicher als tatsächlich vorhanden ist.

Täglich wundern wir uns darüber, warum diese recht einfache Erkenntnis nicht in entsprechende Handlungen mündet.

Das Gasnetz – Langzeitspeicher in Hülle und Fülle

Wir müssen nicht nach Möglichkeiten zur längerfristigen Speicherung von Energie in großen Mengen suchen. Sie sind vorhanden. Allein das Gasnetz bietet mit seinen Kavernenspeichern (Rohrleitungen nicht mitgerechnet) eine Speicherkapazität von über 200 TWh.

Die Krux liegt in der Frage, wie wir genügend Gas aus erneuerbaren Quellen erzeugen können, um die vorhandenen Gasspeicher damit zu befüllen.

Die Power2Gas (und zurück?) Prozesskette

Wir wandeln zunächst überschüssige elektrische Energie in Wasserstoff um. Hierzu benötigen wir entsprechende Elektrolyseure mit ausreichender Leistung. Die NWS (Nationale Wasserstoffstrategie) sieht bis 2030 eine Elektrolyseleistung von 5 GW vor. Unter der optimistischen Annahme von 7.000 Volllaststunden ließen sich hieraus etwas 26 TWh in Wasserstoff gespeicherte Energie erzeugen. Wohlgemerkt erst im Jahre 2030, geht es nach den Plänen der Bundesregierung und unter immer noch tatkräftiger Beteiligung fossiler Erzeuger. Wir halten diesen Ansatz deshalb für grundsätzlich falsch. Die mit 5 GW geplante Elektrolyseleistung ist viel zu gering und die Elektrolyseure müssen ausschließlich an erneuerbare Erzeuger gekoppelt sein, selbst wenn das tendenziell negative Auswirkungen auf deren Auslastung hat.

Aufgrund der schwierigen Handhabbarkeit von Wasserstoff kommen wir nicht umhin, diesen in einem zweiten Schritt in Methan zu verwandeln. Auch diese Wandlung ist mit Verlusten verbunden. Am Ende der Prozesskette haben wir einen Strom-zu-Strom-Wirkungsgrad von mageren 36%. Entnehmen wir der Kette jedoch an verschiedenen Stellen Endenergie, sprich Energie, die wir direkt nutzen können und die damit keinen weiteren Wandlungsverlusten unterworfen ist, steigt der Gesamtwirkungsgrad auf über 70%. (Folien 11 bis 13)

Die Optimierung aller im Schema gezeigten Teilprozesse obliegt den Wissenschaftlern in den Universitäten, den Ingenieuren in den Unternehmen, den Netzbetreibern und der Bundesnetzagentur. Alle werden genau dafür bezahlt. Uns stellt sich immer mehr die Frage, ob sie diese Aufgabe auch bearbeiten dürfen. Wir stellen seit längerem eine riesige Diskrepanz zwischen den öffentlichen Verlautbarungen des gerade genannten Personenkreises und deren „privaten“ Statements fest. „Wir sind an unsere Vorgaben gebunden.“ vs. „Eigentlich müsste man es anders machen.“

Zusammenfassung

Was wir bisher untersucht haben, zeigt, wie weit der Weg bis zur vollständigen Dekarbonisierung ist. Durch eine ernst gemeinte Substitution fossiler Kohle durch klimaneutrale Energieträger entsteht ein gewaltiger Nachholbedarf bei der Installation erneuerbarer Erzeuger und Speichern. Dabei ist es durchaus zu hinterfragen, ob es nicht sinnvoller wäre, einen Teil unseres Energiebedarfs weiterhin zu importieren; als erneuerbare Energie und aus Ländern, die über bessere Voraussetzungen verfügen, diese kostengünstig zu produzieren. Momentan geben wir schließlich auch 100 Mrd. Euro jährlich für Energieimporte aus, allerdings für Öl, Kohle und Erdgas. Mehr EE-Stromimporte, EE-Wasserstoff oder EE-Synthesegas sind denkbare Optionen. Was fehlt, ist eine Bedarfsananlyse und die damit verbundene Beschaffungsstrategie.

Die in den Netzentwicklungsplänen veröffentlichten Szenarien sind völlig unbrauchbar, weil sie keine Antworten auf die vielen offene Fragen geben. Manche Fragen werden nicht einmal gestellt. Wie sagte einst Thomas de Maizière?

„Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“

Dieses Zitat war natürlich nicht auf die Energiepolitik gemünzt, gibt aber einen guten Einblick in die allgemeine Denkweise der meisten Politiker.

Wir sind durchaus höchst verunsichert, aber nicht wegen gegebenen, sondern wegen nicht gegebenen Antworten. Wir sind verunsichert durch die allgemeine Planlosigkeit und Inkompetenz (wahlweise bewusste Täuschung), mit der die Politik derzeit agiert – nicht nur hinsichtlich einer notwendigen Energiewende.

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