NetzentwicklungsPLAN?

Team Orangebuch steht ohne Wenn und Aber für das Ziel, 100% unserer Energie (Strom, Bewegungsenergie für den Verkehr und Wärme) aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen.

Wir sind keine Gegner der Energiewende, was alle unvoreingenommenen Leser unserer bisher veröffentlichten Texte deutlich erkennen müssten. Sehr schnell sehen sich Organisationen oder Einzelpersonen aber genau mit diesem Vorwurf konfrontiert, nur weil sie das WIE der Energiewende hinterfragen. Dies tun wir seit mehreren Jahren und sind nach intensiver Sichtung des letzten Netzentwicklungsplans endgültig zu dem Schluss gekommen:

So wie die Energiewende von der Politik geplant wird, ist sie zum Scheitern verurteilt.

1. Szenariorahmen und Netzentwicklungsplan

Unser Teammitglied Jörg Diettrich hat sich am 17.10.2023 in einem Online-Vortrag (Folien hier) u.a. mit den Kennzahlen des aktuellen Szenariorahmens und des daraus entstandenen Netzentwicklungsplans (im Folgenden NEP) 2023 auseinandergesetzt.

Dass der Szenariorahmen durch die privatwirtschaftlich organisierten Übertragungsnetzbetreiber (im Folgenden ÜNB) erarbeitet werden darf, haben wir wiederholt kritisiert. Dass die Bundesnetzagentur (im Folgenden BNetzA) diesen ersten Aufschlag zum weiteren Ausbau der Höchstspannungsnetze überprüft und mit marginalen Änderungen gewöhnlich durchwinkt, ebenfalls. Der eigentliche Punkt ist aber: Der Szenariorahmen erlangt mit der Prüfung durch die BNetzA Gesetzescharakter und ist im Rahmen seiner Gültigkeit buchstabengetreu umzusetzen. Die ÜNB erarbeiten auf Grundlage des genehmigten Szenariorahmens im zweiten Schritt einen NEP. Wenn während der Bearbeitung festgestellt wird, dass bestimmte Festlegungen aus dem Szenariorahmen ineffizient oder gar falsch sind, darf es aufgrund seines verbindlichen Status’ als Gesetz keine Anpassungen oder Änderungen geben, zumindest keine gravierenden. Anders gesagt: Die im genehmigten Szenariorahmen von der BNetzA als sinnvoll erachteten Zahlen sind im NEP als einzig gültige Eingangsparameter zu verwenden. Die BNetzA beharrte auch in ihrer letzten Online Veranstaltung zum NEP darauf, dass Einsprüche, die diese Eingangsparameter betreffen, zu spät kämen. Man hätte sie bereits bei der Diskussion des vorhergehenden Szenariorahmens platzieren müssen, was wir im übrigen in einem Konsultationsbeitrag (dort C1, Seite 10) ohne Konsequenzen getan haben.

In den Vorläufigen Prüfungsergebnissen der BNetzA zum NEP 2023 vom 07.09.2023 greift die Behörde jedoch selbst in das von ihr im Szenariorahmen für richtig befundene Zahlenmaterial ein. Dieser Eingriff kam dann, folgt man der eigenen Sichtweise der Behörde, wohl ebenfalls zu spät. Die späte Änderung wäre verzeihlich, wenn sie nicht so fundamentale Folgen hätte. Ob sie juristisch haltbar ist, bleibt zu prüfen. Fakt ist:

Der gesamte NEP 2023 verkommt damit zu reiner Makulatur.

2. Die technische Ebene

Der Eingriff der BNetzA in den NEP besteht in der Definition zusätzlichen „endogenen Zubaus“ für Gaskraftwerke. Die Behörde zaubert den Begriff einfach aus dem Hut, ohne sich auf nähere Erläuterungen einzulassen, was „endogener Zubau“ in Zahlen bedeutet. Wir haben deshalb selbst nachgerechnet.

Im NEP 2023 sind für alle 2045iger Szenarien 34,6 GW reguläre Gaskraftwerksleistung ausgewiesen, während man mindestens 76 GW endogenen Zubau benötigt, damit dieser „Plan“ am Ende aufgeht. Die Erzeugungslücke von 76 GW haben wir in unserem letzten Artikel ermittelt – dort auf Seite 5 oben und sehr leicht nachvollziehbar. Für unsere Berechnung haben wir ausschließlich die Zahlen der BNetzA verwendet.

Wir ersparen uns an dieser Stelle die Erörterung aller anderen im NEP 2023 enthaltenen schwerwiegenden Fehler. Diese wird Gegenstand unserer Konsultationsbeiträge sein.

3. Die Folgen…

…des „endogenen Zubaus“ von 76+ GW Gaskraftwerkskapazität wirken sich gravierend auf den Netzausbau aus.

Es fehlen mindestens 76 GW Erzeugerkapazität, die nicht aus volatilen erneuerbaren Energien oder Speichern gedeckt werden können. Das gebetsmühlenartig wiederholte Narrativ, Windstrom aus dem stromreichen Norden in den unter Stromdefizit leidenden Süden verbringen zu müssen, wäre damit komplett vom Tisch. Man müsste die fehlende Gaskapazität nur fokussiert im Süden installieren. 76 GW sind eine gigantische, um im Sprachgebrauch der ÜNB zu bleiben, Flexibilitätsoption, welche jeden NEP eigentlich nachhaltig beeinflussen müsste, es aber genau nicht tut, weil die Zahl im NEP gar nicht auftaucht. Unter diesen Voraussetzungen ist der Netzausbau völlig neu zu bewerten. Nicht nur nebenbei gesagt: Anstelle neuer Gaskraftwerke wäre uns ein forcierter Ausbau von Windkraft und PV im Süden inklusive der dafür notwendigen Speicherkapazität deutlich lieber.

4. Die finanzielle Ebene

Schon auf unserer aktuellen jährlichen Stromrechnung schlagen Netzentgelte (Thüringen) mit ca. 24% zu Buche. In einem Bruttobetrag von z.B. 564,90 € sind Kosten für den Netzzugang von 136,68 € enthalten. Werden die im NEP 2023 enthaltenen weiteren fünf Trassen bar jeder begründeten Notwendigkeit tatsächlich realisiert, werden die Netzentgelte weiter massiv steigen. Es besteht der Verdacht, dass sich neben diesen fünf bereits öffentlich bekannten Projekten weitere in der Schublade der ÜNB befinden. Die Umlaufrendite für den Bau neuer Höchstspannungsleitungen beträgt schließlich derzeit 5,07% und demnächst 7,09%; dank „Beschluss“ der BNetzA. Netzausbau lohnt sich. Wir sollten demnach nicht erwarten, dass sich die ÜNB von ihrer grundsätzlichen Agenda ungezügelten Neubaus freiwillig verabschieden werden.

Unsere Stromrechnung erhöht sich allerdings nicht nur durch explodierende Netzentgelte. Nicht eingerechnet sind die steigenden Kosten der teilweise noch notwendigen fossilen Erzeugung und der Abregelung der Erneuerbaren, die aufgrund fehlender Speicherkapazität immer mehr Umfang erreichen werden, wenn wir uns als Bürger nicht endlich massiv gegen all diese Fehlplanungen positionieren.

5. Die Ebene fairer Kommunikation…

…mit dem Bürger hat die BNetzA spätestens auf ihren Online-Veranstaltungen vom 13. und 17.10.2023 endgültig verlassen. Wir halten der Behörde lediglich zugute, den Algorithmus der ihrer Netzbedarfsermittlung einigermaßen transparent erklärt zu haben. Die Eingangsparameter für diesen Algorithmus, sprich die Lastflüsse in konkreten Leitungen blieb man gleichwohl unter Verweis auf die Netzsicherheit erneut schuldig. Für die Öffentlichkeit ist demnach absolut nicht nachvollziehbar, welcher Netzausbau rein physikalisch notwendig wäre.

Der Rest der von den BNetzA-Vertretern gegebenen Antworten bestand aus Ausflüchten, den eigenen Zahlen widersprechenden Statements und sprachlichen Pirouetten, die nur dazu da waren, Fakten zu verschleiern. Zusammengefasst nennen wir das Demagogie, die einer Behörde, die von sich behauptet, im Sinne der Politik eines demokratisch regierten Landes zu handeln, schlicht unwürdig ist.

6. Was wir wünschen, was wir fordern

Die BNetzA versteht sich selbst als Kontrollbehörde. Als solche darf sie sich nicht länger dahinter verstecken, politischen Richtlinien folgen zu müssen, die zum Großteil von Leuten geschaffen werden, die über wenig Fachkompetenz verfügen, dafür aber umso mehr den Einflüssen des Lobbyismus unterliegen. Umgekehrt müssten sich die Politiker auf die fachliche, rein faktenbasierte Expertise der BNetzA stützen, um sinnvolle Entscheidungen zu fällen.

In diesem Sinne fordern wir eine BNetzA, die endlich ihrer Rolle als Fach- und Kontrollorgan gerecht wird. Wir fordern eine BNetzA, die vor allem in volkswirtschaftlichen Kategorien handelt.

Volkswirtschaftliche Interessen müssen immer Vorrang vor betriebswirtschaftlichen Erwägungen einzelner Marktteilnehmer haben.

Wir fordern die Einbeziehung externer und unabhängiger Fachleute.

Wir fordern die Information und Einbeziehung der breiten
Öffentlichkeit in die Ausgestaltung der Energiewende.

Wie schon eingangs gesagt: So wie sie jetzt läuft, wird sie definitiv scheitern.

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