Speichervermeidung als Geschäftsmodell?

Die deutsche Energieversorgung bleibt angespannt, obwohl uns das Wetter bislang einigermaßen wohlgesonnen war. Am 1. Dezember 2022 betrug der Füllstand der deutschen Gasspeicher 97.63 %. Aber schon der Wintereinbruch in den ersten beiden Dezemberwochen nagte an diesen Reserven. In diesem Zeitraum wurden täglich mehr als 1.500 GWh, am Rekordtag, dem 13.12.2022 sogar mehr als 2.500 GWh (>1% ihrer Kapazität) aus den Speichern entnommen.

Wir haben uns die Entso-E-Daten dieses Tages etwas genauer angeschaut und einige interessante Korrelationen zu Börsenpreisen gefunden.

Die deutschen Gasturbinen, Großverbraucher von Erdgas, lieferten am 13.12.2022 eine elektrische Leistung von mehr als 19 GW. Das ist die höchste Leistung, die im gesamten Jahr 2022 abgerufen wurde. Der Grund war aber kein Strommangel innerhalb Deutschlands. An diesem 13.12.2022 wurden nämlich zeitweise mehr als 10 GW elektrischer Leistung exportiert, obwohl wir doch „alle“ aufgerufen sind, Gas zu sparen. Ist diese Ansage der Politik etwa bei den Betreibern der deutschen Gaskraftwerke nicht angekommen? Man könnte natürlich argumentieren, dass dieser Export aus „Gründen der europäischen Solidarität“ und zur Netzstabilität notwendig war. Man könnte aber auch die Frage stellen, warum dem Mitte Dezember 2022 temporär hohen Bedarf nicht durch andere Flexibilitätsoptionen begegnet werden konnte. Uns fallen spontan die Abschaltung nicht unbedingt benötigter Verbraucher, die konsequente Vermeidung von Verlustarbeit bei den Erneuerbaren und vor allem natürlich die Nutzung von Stromspeichern ein. Beim Blick auf die am 13.12.2022 an der Strombörse zeitweise erzielten exorbitanten Preise von mehr als 650 Euro/MWh kommen wir zwangsläufig zu dem Schluss, dass Speicher Gift für bestimmte Geschäftsmodelle sind, die unter politisch ausgeübtem Naturschutz stehen.

Was schert den Betreiber eines Gaskraftwerkes schon der Füllstand der deutschen Gasspeicher, wenn er mehr als das Dreifache der ohnehin seit langem überhöhten Börsenpreise einfahren kann? Gewinn first, Versorgungssicherheit second, volkswirtschaftlich Sinnvolles tun – außerhalb der Sichtweite der auf kurzfristigen Reibach getrimmten Strategen.

Am 20.12.2022 enthielten die deutschen Gasspeicher 87,2 %, am 24.1.2023 noch 84.82 %. ihrer Kapazität. Kommen noch ein paar richtig kalte Tage auf uns zu oder viel schlimmer, einer unserer derzeitigen Hauptlieferanten von Pipelinegas fällt aus, geraten wir sehr schnell in eine Gasmangellage.

Dass uns die LNG-Terminals derzeit nicht retten können, kann man einer von der BNetzA veröffentlichten Grafik entnehmen. Später vielleicht, wenn unsere Bundesregierung das grandiose Ausbautempo, das wir gerne bei Energiespeichern sehen würden, halten kann.

Die aktuell verfügbare Gasmenge, bestehend aus Importen, eigener Produktion und importiertem LNG, hat ein Energieäquivalent von weniger als 3.000 GWh/d. Das reicht schon an „normalen“ Wintertagen nicht aus. Insofern ist eine ständige Entnahme aus den Gasspeichern notwendig. Sie reicht aber erst recht nicht, um für ausgewählte Firmen immense Extraprofite zu generieren, die letztendlich wieder für den Bürger eingepreist werden. Zum Vergleich: Noch im April 2022 betrug die täglich u.a. aus Russland importierte Energie aus Gas mehr als 5.000 GWh/d.

Manche Politiker behaupten dennoch, wir hätten dass Schlimmste bereits überstanden. Es ginge, dank der klugen Entscheidungen unserer Regierung, auch ohne russisches Gas. Die spannende Frage, die sich akut demnächst stellen wird: Können wir die im April 2023 die bis auf 30..40% geleerten Gasspeicher für den kommenden Winter wieder ausreichend befüllen? Und wenn ja, stellt sich immer noch die Frage, ob wir damit für einen richtig harten Winter ausreichend gerüstet sind.

Ein Teil der Antworten darauf könnte die Bevölkerung verunsichern.

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